Das nationalsozialistische Deutschland setzte während des Zweiten Weltkrieges insgesamt etwa 12 Millionen Menschen außerhalb der Konzentrationslager zur Zwangsarbeit ein.

Der allergrößte Teil dieser Menschen wurde aus ihren von der deutschen Wehrmacht besetzten Heimatländern verschleppt. Im Landkreis Gießen wurden sie vor allem in Bauunternehmen, Landwirtschaft, Kommunen, Kirchen und in Privathaushalten zur Arbeit gezwungen.

„Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen waren spätestens ab 1942 nirgends mehr zu übersehen, weder im Reich noch in den besezten Gebieten.“ (Jörg Echternkamp, BPB 2015)

Das Freienseener Zwangsarbeiterlager, von 1943 bis 1945 auf mindestens elf Baracken und mehrere Nebengebäude ausgebaut, setzte sich zusammen aus einem verharmlosend „Arbeitserziehungslager“ genannten Außenkommando des Gestapo-KZ-Frankfurt-Heddernheim, je einer Baracke für sowjetische und polnische Kriegsgefangene/Zwangsarbeiter, einer gemeinsamen Baracke für russische Zwangsarbeiterinnen, einer Küchenbaracke und Baracken für Personal- und Büroräume der Firmen Vereinigte Deuta Ota (VDO), Tachometerwerke AG Frankfurt am Main und der Baufirma Wiederspahn Wiesbaden. Eine zwölfte Baracke war im Bau.

Die Bilder zeigen die letzte erhaltene Baracke, in der während des Zweiten Weltkrieges sowjetische Zwangsarbeiter untergebracht waren. Die Baracke steht seit 1991 unter Denkmalschutz

Die Karte zeigt Freienseen heute mit den ungefähren Standorten der einzelnen Baracken. Zusätzlich zu den 12 abgebildeten Baracken existierten mehrere weitere Gebäude, in denen die Familien des Führungspersonals untergebracht waren und ein Gebäude für die geplante Kantine der Firma VDO. Diese befand sich bei Kriegsende im Rohbau und war danach viele Jahrzehnte Gaststätte und Restaurant.

Die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter fertigten unter anderem Teile für sogenannte V1- und V2-Raketen, die VDO an die Wehrmacht lieferte. Die Produktion befand sich im südlich gelegenen zweiten Eisenbahntunnel im nahegelegenen Waldstück.
Der Tunnel steht gemeinsam mit dem benachbarten Tunnel unter Denkmalschutz. Auch in Laubach und Münster gab es Lager.

Die ca. 40 m langen und 9 m breiten Baracken waren jeweils mit nur einem Wasseranschluss und einer Klärgrube ausgestattet.
Hier wurden von 1943 bis 1945 mindestens 1200 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter unter zum Teil katastrophalen Bedingungen untergebracht.

Die heute noch bestehende Baracke diente der Unterbringung sowjetischer Zwangsarbeiter. Unmittelbar bevor das Lager Ende März 1945 durch amerikanische Truppen befreit wurde, ließ der VDO-Betriebsleiter 52 sowjetische Kriegsgefangene in das Kriegsgefangenen-Mannschafts- Stammlager (Stalag) Ziegenhain transportieren. Die meisten Frauen und Mädchen schickte er an die Arbeitsämter Lauterbach, Schotten und Alsfeld zurück.
Bei Ankunft der Amerikaner befanden sich daher nur noch 19 französische Zwangsarbeiter und ca. 30 Frauen und Mädchen im Lager.

Die Baracken dienten nach Kriegsende als Wohnraum für Ausgebombte und Heimatvertriebene.
Bis auf die heute noch stehende Baracke wurden alle anderen abgerissen. Seit 1991 steht sie als „Mahn- und Denkmal aus geschichtlichen Gründen“
unter Denkmalschutz. In Deutschland starben zweieinhalb Millionen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, hauptsächlich Kriegsgefangene
und KZ-Häftlinge, die aus Ländern der Sowjetunion stammten. Die unmenschlichen Lebensbedingungen führten zu tödlichen Erkrankungen wie Tuberkulose. Hinzu kamen Arbeitsunfälle und Ermordungen, die vertuscht und niemals aufgeklärt wurden. Exemplarisch für die Verstorbenen wird an dieser Stelle an den Tod von zwei Zwangsarbeiterinnen aus dem Lager in Freienseen erinnert: Am 29. Januar 1945 starb die 18-jährige Russin Walentina Basowa (*24.6.1926)
im Lager. Die 23-jährige Ukrainerin Wara Fedyschena (*19.11.1921) verstarb am 7. April 1945 im Laubacher Krankenhaus.
Einige der Gräber der Verstorbenen, auch die der beiden Frauen, befinden sich heute in der Kriegsgräberstätte der Klosters Arnsburg in Lich.

In der Tunnelstraße in Laubach-Freienseen steht eine Gedenktafel mit diesen Informationen, die durch den
Denkmalbeirat des Landkreises Gießen 2023 erstellt wurde.

Quellen:

Geist, C. (1990), „Zwangsarbeit in Freienseen“, in: m.bis alles in Scherben fallt – Ein Antikriegsbuch der Friedenskooperative Grünberg – Laubach – Mücke“

Hessisches Institut für Landesgeschichte, „Freienseen, Lager für Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene“, in: Topographie des Nationalsozialismus in Hessen (Stand Februar 2023)

Landesamt für Denkmalpflege Hessen, „Fremdarbeiterunterkunft“
(Stand Februar 2023)

Puvogel, U. (1995), „Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus“

Paul Erker: „Zulieferer für Hitlers Krieg –
Der Continental-Konzern in der NS-Zeit“ (© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston)